Geotechnische Analyse von Gebäudeschäden in Mainz-Lerchenberg
Aufgabenstellung
Mainz-Lerchenberg ist der jüngste Stadtteil der Landeshauptstadt Mainz. Zum 2000-jährigen Bestehen der Stadt Mainz 1962 als „Jubiläumssiedlung“ gegründet, war ihre Hauptaufgabe, den damals vorherrschenden Wohnraummangel in Mainz nach dem zweiten Weltkrieg zu verringern. 1966 wurden die ersten Gebäude fertig gestellt. Im Laufe der Jahre wurden der Stadt Mainz im Vergleich zu anderen Baugebieten aus dieser Zeit, überdurchschnittlich viele Schäden, insbesondere Risse, gemeldet. Da die Vermutung bestand, dass die Ursache der Bauschäden mit dem Untergrund zusammen hängt, beauftragte die Stadt Mainz das Landesamt für Geologie und Bergbau, dem Problem grundsätzlich nachzugehen und gegebenenfalls weitere Schritte vorzuschlagen. Um sich einen Überblick über die zeitliche Entstehung der Schäden verschaffen zu können, erstellte die Stadt Mainz auf Anregung des LGB mit Hilfe spezieller Erfassungsbögen ein Schadenskataster. Zur Verfügung stehende Unterlagen wie die individuell von den Grundstückseigentümern beauftragte Gutachten, Baupläne und geologische Karten der Region wurden aufbereitet und ausgewertet und Begehungen des betroffenen Gebietes durchgeführt. Zusätzliche Befragungen einiger Eigentümer ergänzten die Grundlagenermittlung.
Geologie
Der Untergrund des betroffenen Gebietes besteht aus Wechselfolgen von Kalksteinen mit Tonen und Tonmergeln des Tertiärs. Teilweise wird diese Wechselfolge aus Fest- und Halbfestgesteinen von jüngeren Schottern und Löß des Quartär überlagert. Hieraus ergeben sich teils scharfe Wechsel zwischen den aus geotechnischer Sicht unterschiedlich zu bewertenden Kalksteinen, Tonmergeln bzw. Tonen sowie kiesigen Deckschichten.
Hydrogeologie, Hydrologie
Das Kalktertiär ist in der Regel als Grundwasserleiter wirksam. Die liegenden Schichten des Mergeltertiär hingegen haben eine stauende Eigenschaft. Der Schotter weist eine vergleichsweise hohe Durchlässigkeit auf. Hierdurch können sich sogenannte Grundwasserlinsen bilden, die sich auf gering durchlässigen Schichten wie Ton oder Tonmergel aufstauen.
Das Mainzer Becken gehört zu den trockensten Gebieten Deutschlands. Der mittlere jährliche Niederschlag beträgt hier 450-500 mm/m2 während der mittlere jährliche Niederschlag für Rheinland-Pfalz mit 830 mm/m2 deutlich höher liegt. Hinzu kommt eine vergleichsweise hohe mittlere jährliche Lufttemperatur von über 10°C was zu einer hohen Verdunstungsrate führt. Gemäß den Angaben des Hydrologischen Atlas von Rheinland-Pfalz wird südwestlich von Mainz eine Verdunstung von 400-450 mm/m2 angegeben. Das heißt, dass im langjährigen Mittel rechnerisch der Niederschlag mehr oder weniger vollständig durch die Verdunstung und den Bewuchs aufgebraucht wird. Infolge dieser Faktoren ergibt sich eine sehr geringe Grundwasserneubildung bei Tonmergeln und Tonen von allenfalls 25 mm/a, die geringste angegebene Grundwasserneubildungsrate überhaupt. Hierdurch kommt es in niederschlagsarmen Jahren, wie es besonders 2003 der Fall war, zur Austrocknung des Bodens aufgrund natürlicher klimatischer Bedingungen. Tatsächlich wurden in diesem Jahr auch gehäuft Risse beobachtet.
Ingenieurgeologie, Schadensursachen
Aufgrund der unterschiedlichen chemisch-mineralogischen Zusammensetzung und Korngrößenverteilung der verschiedenen Böden und Gesteine reagieren diese auf den Wasserhaushalt im Boden zum Teil sehr unterschiedlich. Das Volumen in den einzelnen Bodenschichten verändert sich mit wechselndem Wassergehalt. Je nach der genauen Zusammensetzung des Untergrunds kann es so zu einer unterschiedlich starken Schrumpfung bzw. Quellung der Schichten des Untergrunds und somit zu Setzungsunterschieden entlang der Fundamente der betroffenen Häuser kommen, was zu einer Rissbildung führen kann.
Die Untersuchungen zeigten, dass die Schrumpfung des Baugrundes durch Austrocknung die Ursache der Schäden an den Häusern war. Dabei wirken sich die Schrumpfsetzungen in der Regel erst dann bauwerksschädlich aus, wenn diese auf die Bauwerksfläche bezogen stark unterschiedlich sind. Das Setzungsmaß und die Setzungsunterschiede sind abhängig von der räumlichen Erstreckung und Mächtigkeit der von Austrocknung betroffenen Ton-/ Tonmergelschichten. Schadensverstärkend ist es, wenn unter einem Teil der Fundamente schrumpfempfindliche Ton-/ Tonmergelschichten und unter einem anderen Teil gering oder nicht schrumpfempfindliche Schichten, wie Sande, Kiese oder Kalksteine, anstehen. Die Gebäude wurden konventionell auf vergleichsweise schmalen Streifenfundamenten gegründet. Auf Grund der zwischenzeitlich gemachten Erfahrungen ist festzustellen, dass die Gründung zwar eine ausreichende Dimensionierung bezüglich der Tragfähigkeit des Bodens aufweist, jedoch nicht an die möglichen Setzungsunterschiede hin angepasst ist.
Neben den jahreszeitlich bedingten Temperaturschwankungen können im Einzelfall noch weitere Faktoren dem Boden Wasser entziehen und so die Schrumpfung verstärken. Hierzu gehören insbesondere der Bewuchs und auch das im Wohngebiet eingerichtete Fernwärmenetz.
Rissmonitoring
Ein Eigentümer eines von Rissen betroffenen Gebäudes hat über mehrere Jahre die Rissbreiten überwacht. Dabei konnte ein eindeutig saisonaler Zusammenhang festgestellt werden. Die stärkste Öffnung der Risse trat in den Monaten August bis Oktober auf. Während der Wintermonate schlossen sich dagegen die Risse zum Teil wieder. Diese Messungen bewiesen, dass die Ursache des Problems die Austrocknung des Bodens durch die klimatischen Gegebenheiten war und dem jahreszeitlichen Verlauf folgte.
Dies wird auch in obiger Abbildung deutlich. Hier sind sowohl die gemessenen Schwankungen der Rissbreiten, als auch die monatliche klimatische Wasserbilanz dargestellt. Es ist erkennbar, dass bei der Veränderung der Rissbreiten und der Wasserbilanz eine leicht zeitverzögerte, negative Korrelation vorliegt. Im Zeitraum August bis Dezember befindet die klimatische Wasserbilanz sich deutlich im negativen Bereich. Die Risse dehnen sich sehr rasch im August und September deutlich messbar aus, da durch die Sommertemperaturen der Boden schnell austrocknet. Im Oktober und November sind die gemessenen Schwankungen der Rissbreiten annähernd konstant, bis sie Mitte Dezember beginnen wieder abnehmen. Zwar wird bereits im Januar, von der klimatischen Wasserbilanz her, wieder ein positiver Wert erreicht, die Breiten der Risse befinden sich allerdings erst Anfang März wieder auf dem Niveau, das zu Beginn der Messungen festgehalten wurde.
Nach Klärung der mutmaßlichen Schadensursache, können nun die betroffenen Hauseigentümer, soweit notwendig, die entsprechenden Maßnahmen, wie eine Nachgründung, in eigener Verantwortung ausführen. Hierzu wird in jedem Fall die Einbeziehung geotechnischer Büros empfohlen.
Quelle
LGB (2009): Geotechnischer Bericht zu der Analyse der Gebäudeschäden in Mainz-Lerchenbeg.- Verfasser: Dipl.-Geol. Mirco Alberti & Dipl.-Geol. Ansgar Wehinger.- 35 S., 7 Abb., 2 Anlagen, Mainz [unveröff.]