Makroseismische Erhebungen am Beispiel des Erdbebens in Rambervillers vom 22.2.2003
Ausgangsituation
Naturkatastrophen stellen ein enormes Gefahrenpotential für Mensch und Umwelt dar. Beispiele aus aller Welt zeigen, dass insbesondere Erdbeben enorme Schäden verursachen können. Erdbeben lassen sich bis heute nicht zuverlässig vorher sagen, so dass der Registrierung und wissenschaftlichen Auswertung aktueller Beben eine große Bedeutung zukommt. Bei Beben, die von vielen Menschen wahrgenommen wurden, ist neben der rein messtechnischen Auswertung auch die Erhebung der Beobachtungen während des Bebens und der aufgetretenen Folgen eine eingeführte Methode der Erdbebenforschung. Dies ist die Methode der sogenannten Makroseismik. Mit Hilfe dieser Vorgehensweise lassen sich auch historische Beben rekonstruieren. Die Erfassung und Auswertung von Erdbeben ist auch deshalb notwendig, um Erdbebenzonen abgrenzen und gefährdete Gebiete besser einschätzen zu können.
EMS-Intensität und Magnitude nach Richter
Die Einbindung von spontanen Erdbebenmeldungen durch Berichte und Fragebögen erfolgt unter Zugrundelegung der European Macroseismic Scale EMS-1998 (GRÜNTHAL 1998), welche eine Beschreibung der Erdbebenherde durch ihre Intensität darstellt und somit einen Grad der bei einem Erdbeben entstandenen Schäden angibt. Somit können die in einer Region festgestellten Intensitätsgrade in Karten übertragen und gleiche Werte miteinander verbunden werden; dadurch liefern die sich ergebenden Isoseisten Hinweise auf das Epizentrum des Bebens. Durch den Abstand der einzelnen Isoseisten lassen sich auch Rückschlüsse auf das Hypozentrum und die bevorzugte Schwingungsausbreitungsrichtung ziehen. Probleme ergeben sich jedoch hier aus der Variabilität des geologischen Untergrunds, durch die die Bebenintensität wesentlich beeinflusst wird: Auf weichen Böden kann beispielsweise auch in größerer Entfernung vom Erdbebenherd die Intensität höher sein als auf festem Untergrund in Herdnähe.
Wird ein Erdbeben nach der Richter-Skala ausgewertet, ist seine Stärke entscheidend. Die Magnitude eines Bebens ist vereinfacht gesagt nichts anderes als der Ausschlag auf einem Seismogramm, aus dem die Amplitude der bei einem Beben ausgestrahlten seismischen Wellen abgelesen werden kann. Als Maß für die Erdbebenmagnitude entwickelte der amerikanische Seismologe CHARLES FRANCIS RICHTER 1935 die RICHTER-Skala, in der die Magnitude ein logarithmisches Maß für die am Epizentrum freigesetzte Schwingungsenergie darstellt. Da die Skala logarithmisch aufgebaut ist, sind die Bodenbewegungen eines Bebens der Stärke 6 beispielsweise zehnmal stärker als bei einem Beben der Stärke 5. Die freigesetzte Energiemenge ist sogar rund dreißigmal größer. Beben der Stärke 2 sind in der Regel gerade noch spürbar. Theoretisch ist die Skala nach unten wie nach oben offen, allerdings hat sie eine natürliche Grenze bei M > 9.5, da die Gesteine zerbrechen, bevor sich derartig gewaltige Energien aufbauen können.
Erdbeben von Rambervillers am 22.02.2003
Am 22. Februar 2003 traten bei Rambervillers (Ost-Frankreich) innerhalb von 13 Minuten zwei Erdbeben mit Magnituden M = 5,4 und M = 3,2 auf, die auch weit bis nach Rheinland-Pfalz hinein deutlich gespürt wurden. Das Hauptbeben gehört zu den stärksten Beben überhaupt, die in jüngerer Vergangenheit nördlich der Alpen registriert wurden. Zur Auswertung der Beben hat der im Landesamt für Geologie und Bergbau angesiedelte Landeserdbebendienst Rheinland-Pfalz erstmals eine makroseismische Erhebung durchgeführt. Zu diesem Zwecke wurden Fragebögen über die Medien (Presse, Radio, Internet) an die Bevölkerung verteilt.
Insgesamt konnten 845 Fragebögen bzw. Rückäusserungen ausgewertet werden. Die Erhebung und Auswertung erfolgte länderübergreifend durch die betroffenen Erdbebendienste des LGB Rheinland Pfalz, des LGRB Baden-Württemberg, des BCSF Frankreich und des SED Schweiz. Der Rücklauf war unterschiedlich, da die Information nicht uniform verteilt werden konnte. Darüber hinaus wurden über den Katastrophenschutz von Rheinland-Pfalz Informationen bei den Polizeidienststellen gesammelt. Zusätzlich oder wenn Informationen lückenhaft waren, wurden Feuerwehr und kommunale Verwaltungen hinzugezogen. Dabei wurden kollektive Fragen über das subjektive Empfinden des Bebens gestellt. Diese sogenannte „Real time seismicity“ erfordert zwar ein rasches Vorgehen und eine schnelle Auswertung, die Ergebnisse gerade im Fall des Erdbebens in Rambervillers aber sind sehr aussagekräftig.
Die wissenschaftliche Auswertung ist in CARA & BRÜSTLE & GISLER & KÄSTLI & SIRA & WEIHERMÜLLER & LAMBERT (2005) dokumentiert.
Das Rambervillers Erdbeben mit einer Magnitude M = 5,4 auf der Richter-Skala konnte somit durch die aufgetretenen und unterschiedlich starken Schäden (vor allem bautechnische Schäden) eingestuft werden. Es ergab sich am Erdbebenherd eine Intensität VII nach EMS. Ein weiteres Ergebnis war die erfolgreiche Zusammenarbeit der verschiedenen Erdbebendienste aus Baden-Württemberg, Frankreich, der Schweiz und Rheinland-Pfalz.
Erdbeben von Remiremont im Jahre 1682
Ein weiteres Fallbeispiel zeigt ein früheres Erdbeben in der gleichen Region in Frankreich. Im Jahr 1682 ereignete sich bei Remiremont ein Beben, für das mit Hilfe der historischen Aufzeichnungen eine Magnitude M = 6,0 auf der Richter-Skala und eine Intensität VIII auf der EMS-Skala zugeordnet werden konnte. Diese Methodik wird Paläoseismik genannt.
Die makroseismischen Erhebungen des Landesamtes für Geologie und Bergbau in Rheinland-Pfalz dienen also nicht nur der Lokalisation von Erdbebenherden, sondern auch der Korrelation und Rekonstruktion der Ausbreitung älterer Beben und sind deshalb abhängig von dem Engagement der Bevölkerung.
Quellen
CARA, M. & BRÜSTLE, W. & GISLER, M. & KÄSTLI, P. & SIRA, C. & WEIHERMÜLLER, C. & LAMBERT, J. (2005): Transfrontier macroseismic observations of the MI = 5,4 earth-quake of February 22, 2003 at Rambervillers, France. – Journal of Seismology, 9, S. 317-328, (Springer) Dordrecht.
GRÜNTHAL, G. (1998): European Macroseismic Scale 1998 EMS-1998. – Cahiers du Centre Européen de Géodynamique et de Séismologie, 15, p. 99, Luxembourg.