Hangsicherungen im oberen Mittelrheintal
Verwitterung und Erosion sind Teil vom natürlichen Gesteinskreislauf der Erde. Doch die Auswirkungen können verheerend sein. Steinschlag und Felsstürze gehören zu den möglichen Folgen, die oft mit einem erheblichen Risiko verbunden sind. Davon besonders betroffen sind die steilen Hänge der rheinland-pfälzischen Flusslandschaften (Rhein, Mosel, Lahn etc.). Deren enge Täler stellen auch Verkehrswege von überregionaler Bedeutung und mit hoher Verkehrsdichte dar. Diesem Umstand muss mit einem entsprechenden Schutzbedürfnis begegnet werden.
Die Mitarbeiter des Referats Ingenieurgeologie im Landesamt für Geologie und Bergbau beschäftigen sich mit der Erfassung, Bewertung und Sicherung/Sanierung von Steinschlägen und Felsstürzen und können hierbei auf die Erfahrung einer jahrzehntelangen Praxis zurückgreifen.
In den vergangenen Jahren ereigneten sich in einem Abschnitt der B 9 im Rheintal zwischen Bingerbrück und Trechtingshausen zwei größere Steinschlagereignisse, wovon neben der Bundesstraße auch die Bahnstrecke Mainz–Bingen–Koblenz beeinträchtigt war.
Unmittelbar oberhalb der Verkehrswege schließt sich hier ein mehr als 120 m hoher Steilhang an. Das darin zu Tage tretende Schiefergestein streicht etwa senkrecht zur Hangfläche aus. Vereinzelt ragen quarzitische Härtlingsklippen steil aus dem Hang auf und bilden hier den Ursprung von unregelmäßig auftretenden Steinschlägen und Felsstürzen.
Am 23. Oktober 2005 löste sich aus einer Felsrippe ca. 40 m oberhalb der B 9 eine ungefähr 10 m³ große Felsscheibe. Die Felsscheibe wurde beim Absturz weitgehend zerlegt und mehrere Felsblöcke rollten mit hoher Geschwindigkeit auf die Bundesstraße. Beschädigungen der talseitigen Leitplanke, Felsbruchstücke im Bahnkörper und eine deutliche Schneise durch den dicht bewaldeten Hang zeugten von der großen kinetischen Energie der bis über 2 Tonnen schweren Sturzkörper.
Die Begutachtung der Schadensstelle durch das LGB erfolgte für den Landesbetrieb Mobilität. Die Prüfung der Ausbruchstelle zeigte, dass noch weitere Kluftkörper, darunter eine große exponierte Felsklippe, abzustürzen drohten. Aufgrund der akuten Gefahrenlage für die Verkehrswege wurden sofort Schutzmaßnahmen eingeleitet. Im Schutz mehrerer provisorischer Fangzäune wurden die akut absturzgefährdeten Felsen zunächst beräumt und schließlich ein ca. 150 m langer Hangabschnitt zum Schutz vor weiteren Steinschlägen, auch aus höher gelegenen Hangbereichen, mit Hilfe von 3 m hohen Systemfangzäunen (Energieklasse: 500 kJ bzw. 1000 kJ) gesichert. Die Arbeiten wurden im Mai 2006 erfolgreich abgeschlossen.
Ein weiteres Steinschlagereignis nur wenige Hundert Meter talabwärts hatte am 02. Januar 2008 zeitweise die komplette Sperrung der Bundesstraße und der Bahnstre-cke zur Folge. Mehrere Kubikmeter Felsgestein hatten sich aus einer Felsrippe ca. 50 m oberhalb der Bundesstraße gelöst und waren in die Verkehrswege (B 9 und Bahn) gestürzt. Teile des abgestürzten Materials hatten sich hierbei in einer Felsrinne angesammelt und drohten nachzurutschen. Erst nach der Beräumung dieser labilen Schuttakkumulation und weiterer akut absturzgefährdeter Felsblöcke konnte die Sperrung der Verkehrswege aufgehoben werden.
Als Ergebnis weiterer Untersuchungen wurden dringend konstruktive Sicherungsmaßnahmen empfohlen. Als problematisch für deren Bemessung stellte sich insbesondere die starke Strukturierung des sehr steilen Felsmassivs dar, welches überdies ohne verfügbaren Auffangraum bis unmittelbar an die B 9 reicht. Andererseits konnte auf die Erfahrungen aus der Beräumungsmaßnahme zurückgegriffen werden, so dass schließlich zwei hintereinander angeordnete Systemfangzäune im Felsmassiv errichtet wurden. Ein oberer Fangzaun mit 3 m Bauhöhe und einem Energieauf-nahmevermögen von 500 kJ und ein unterer 4 m hoher Fangzaun der Energieklasse 750 kJ. Zur Überbrückung der übermäßigen Geländevertiefungen wurden Zaunschürzen angefügt. Die Arbeiten wurden im Februar 2009 erfolgreich abgeschlossen.
Die Fallbeispiele an der B 9 zeigen, dass sich für entsprechende Maßnahmen, selbst bei enger räumlicher Distanz und gleicher geologischer Voraussetzung, kaum auf Standardlösungen zurückgreifen lässt. Die notwendigen Anpassungen an die örtlichen Gegebenheiten erfordern nicht selten ein hohes Maß an Erfahrung und Flexibilität. Hierbei kommen die in Jahrzehnten erworbene Kompetenz des LGB und die gute Kooperation mit dem Landesbetrieb Mobilität bzw. den beteiligten Institutionen zum tragen.
Weitere Informationen:
ALBERTI, M. (2007): Felssicherungsarbeiten an der Bundesstraße B 9 zwischen Bingerbrück und Trechtingshausen. – Mainzer geowiss. Mitt., 35, S. 33-50, 13 Abb. Mainz. - doi.org/10.23689/fidgeo-5466