Hangstabilitätskarte des linksrheinischen Mainzer Beckens. 2. Auflage
Einleitung
Der größte Teil des linksrheinischen Mainzer Beckens wird von Rheinhessen eingenommen, das sich zwischen den Städten Mainz, Worms, Alzey und Bingen auf eine Fläche von etwa 1400 km² erstreckt. Die Landschaft stellt sich als flaches Hügelland dar, deren Hänge vorwiegend durch Weinbau genutzt werden.
Mit etwa 26.000 Hektar Rebfläche ist Rheinhessen nicht nur das größte Weinanbaugebiet Deutschlands, sondern auch das am geringsten bewaldete Gebiet im Bereich der Bundesrepublik. Besonders begünstigt wird der Weinbau durch seine geschützte Lage im Lee von Hunsrück, Taunus, Odenwald und Donnersberg, wodurch der Bereich zu den wärmsten und trockensten Gebieten Deutschlands gehört. Die Region ist sehr stark von Rutschungen geprägt, was im geologischen Aufbau des Untergrundes begründet ist.
Die Hangstabilitätskarte des linksrheinischen Mainzer Beckens wurde erstmals von Krauter & Steingötter 1983 erstellt. In ihr sind im Maßstab 1 : 50 000 von Hangbewegungen betroffene bzw. gefährdete Gebiete dargestellt worden.
In der vorliegenden 2. Auflage konnten gegenüber der 1. Auflage weitere kritische Hangbereiche identifiziert werden, unter Zuhilfenahme aktueller amtlicher Geologischer Karten 1 : 25 000, Hinzuziehung von unveröffentlichten Kartierergebnissen und neuerer ingenieurgeologischer Gutachten und Stellungnahmen aus dem Archiv des Landesamtes für Geologie und Bergbau sowie von Diplomarbeiten des Fachbereiches Geologie der Universität Mainz. Durch detaillierte Geländebegehungen wurden die Rutschungsareale teilweise neu abgegrenzt sowie anhand morphologischer Kriterien in die zwei Kategorien "nachgewiesene Rutschgebiete" und "vermutete Rutschgebiete" eingeteilt.
Geologisch baut sich das Mainzer Becken im wesentlichen aus den sedimentären Ablagerungen des Tertiär auf, die sich in die liegenden schluffig-mergeligen Schichten des Oligozän und die darüber folgenden kalkigen miozänen Sedimente unterteilen lassen.
Die Rutschungen treten in den sandigen Tonmergeln des Oligozän auf. Besonders betroffen sind die Schichten des Schleichsands und der Süßwasserschichten, untergeordnet auch die Ablagerungen der Cyrenenmergel. Diese Schichtpakete bauen häufig die durchschnittlich mit 4 - 15° geneigten, flachen Hänge auf und können selbst bei geringsten Hangneigungen noch Kriechbewegungen zeigen. Typisch sind wellenartige Verformungen im Hang, Vernässungsstellen und verkippte Rebstöcke, die auf anhaltende Kriechbewegungen schließen lassen. Die Gleitflächen können bis in Tiefen von etwa 20 m reichen, meist handelt es sich jedoch um relativ flache, ausgedehnte Rutschungen von 2 - 5 m Mächtigkeit.
Nachgewiesene Rutschgebiete
Diese Gebiete sind durch ein oder mehrere der folgenden Merkmale gekennzeichnet:
- Eine typische Rutschmorphologie mit mehr oder weniger deutlich zu erkennenden Verebnungsflächen und Geländebuckeln (Transportzone) sowie einer klar zu erkennenden Abrisskante.
- Schadensereignisse, die durch Rutschungen ausgelöst wurden.
- Rutschmassen, die durch Kernbohrungen nachgewiesen wurden, z.T. auch in Talböden.
- Anzeichen für aktive Bewegungen in Form von Rissen in Fahrbahnbelägen, verkippten oder zerrissenen Trockenmauern sowie schräg stehenden Rebstöcken in den Weinbergen.
Vermutete Rutschgebiete
Bei diesen Gebieten, die in der 1. Auflage als "nicht sicher nachgewiesene Rutschgebiete" bezeichnet wurden, liegen morphologische und geologische Verhältnisse vor, die auf Rutschungen hinweisen. Eine Abrisskante sowie Anzeichen für eine aktive Bewegung konnten nicht eindeutig festgestellt werden oder die Anzeichen sind nur schwach ausgeprägt.
Allgemeine Bemerkungen zur Rutschungsgefährdung
Die Kartierung zeigt, dass im Wesentlichen das "Mergeltertiär", die geologischen Einheiten der oligozänen Mergel und Tone (besonders Oberer Rupelton, Schleichsand, Cyrenenmergel, Süßwasser-Schichten), von Rutschungen betroffen ist. Auch wenn viele der Rutschgebiete Hangneigungen von etwa 10 bis 15° aufweisen, zeigen einige der Rutschhänge Neigungen von lediglich 4°. Daher können auch sehr flache Hangbereiche durch Rutschungen gefährdet sein.
Die Gleitflächen alter Rutschmassen können bis in eine Tiefe von 20 m reichen, Gleitflächen rezenter Rutschungen liegen jedoch in der Regel nicht tiefer als 2 bis 5 m.
Weiterhin ergaben Untersuchungen, dass Rutschungen innerhalb der oben aufgeführten geologischen Einheiten dort stattfinden, wo eine oder mehrere der folgenden natürlichen Gegebenheiten vorkommen:
- alte Rutschmassen (rezente Rutschungen treten meist im Gebiet alter Rutschmassen auf)
- Überlagerung des "Mergeltertiär" durch Grundwasserleiter, wie das "Kalktertiär" (oberoligozäne bis miozäne Kalksteine und Mergel) oder pliozäne und pleistozäne Sande und Kiese
- Entfestigung des Gebirges durch Verwitterung und Auflockerung
- talwärts einfallende Schichten
- Feinsandeinschaltungen (im Volksmund "Schleich" genannt) in den Tonen und Schluffen mit z.T. gespanntem Grundwasser, die in mehreren stratigraphischen Niveaus liegen
- Störungen, welche die Wasserwegsamkeit des Gebirges erhöhen und die seitliche Einspannung (=Gewölbewirkung) verringern
Für die Bereiche innerhalb der nachgewiesenen und vermuteten Rutschgebiete gilt nicht zwangsläufig, dass sie stark gefährdet oder nicht bebaubar sind. Im Vorfeld der Bauplanung ist hier jedoch ein erhöhter Untersuchungsaufwand hinsichtlich der Hangstabilität notwendig und oft sind auch konstruktive Anpassungen der Bauwerke bei der Bauplanung vorzusehen. Umgekehrt kann jedoch nicht gefolgert werden, dass Baumaßnahmen, die außerhalb der ausgewiesenen Rutschgebiete liegen, grundsätzlich unbedenklich sind. Bei Baumaßnahmen innerhalb des "Mergeltertiär" sollten auch in flachen Hanglagen größere Eingriffe in die Hanggeometrie wie Anschnitte oder starke Lasterhöhungen durch Aufschüttungen vermieden werden. Die Hangstabilitätskarte sollte als ergänzende Planungsgrundlage im Vorfeld von Bauvorhaben dienen. Sie kann und soll jedoch nicht als Ersatz von projektbezogenen Baugrunduntersuchungen nach DIN 4020, die grundsätzlich zu empfehlen sind, verstanden werden. Insbesondere bei der Planung neuer Baugebiete sollten im Mainzer Becken frühzeitig Baugrunduntersuchungen unter besonderer Beachtung möglicher Rutschungsrisiken durchgeführt werden.